HEIDNISCHES CHRISTENTUM VON FRANK VIOLA 03

Link zu TEIL 1; TEIL 2

Das 4. Kapitel von „HEIDNISCHES CHRISTENTUM“ lautet: Die Predigt: die heiligste Kuh der Protestanten. Einige Pluspunkte des Kapitels will ich zuvor vergeben:

  1. FV kritisiert zurecht die zunehmende „Verkopfung“ des Christentums
  2. Die „klassische Predigt“ ist nicht DAS Mittel, um wachsende Jünger Jesu hervorzubringen
  3. Die „klassische Predigt“ kann Christen zu reinen Konsumenten werden lassen, wenn das das Zentrum der Kirchenerfahrung ist
  4. FV lässt sich nicht dazu hinreißen (wie im letzten Kapitel!), sämtliche Prediger dieser und der historischen Welt, des puren Heidentums und Pragmatismus zu bezichtigen.

Was kann der Leser sonst noch von diesem Kapitel erwarten? Leider nicht viel, ausser einer zunehmenden Tirade an konstruierten Etymologien, selektiven Geschichtsbetrachtungen und einer Mantra anmutenden Verschwörungsklausel: ALLE BESTANDTEILE DER HEUTIGEN KIRCHE SIND DURCH UND DURCH HEIDNISCH (ausser natürlich bei der sog. organic church – (wie sie FV versteht!)). Das ganze Kapitel ist für FV daher auch ein „Schlachtfest“ – für ihn (und für jeden unreflektierten, geschichtslosen und nicht bibelfesten Christen!) gehört die moderne Predigt auf das Schafott, auf die Schlachtbank, auf den Scheiterhaufen.

Die Argumentation ist seit der ersten Seite des Buches (wo noch glaubwürdig die Liebe zur Kirche und ein ernsthaftes Bemühen um Kirchengeschichte beschworen wird!) immer die gleiche:

  1. Finde eine Praxis der „contemporary church“
  2. Finde dazu in der antiken Geschichte (es muss auf jeden Fall heidnisch sein!) ein Äquivalent
  3. Erbringe „historische Beweise“, wie das Letztere das Erstere beeinflusst hat
  4. Zeige anhand einer (zweifelhaften und unkorrekten Exegese! und) kontextlosen Bibelstellensammlung, dass diese Praktiken unbiblisch sind
  5. Damit ist der Beweis erbracht, dass eine Praxis sowohl tief heidnisch, als auch verwerflich unbiblisch ist.
  6. Zum Schluss gib noch ein paar allgemeinklingende und „reformatorische“ Statements (und Erfahrungsberichte), dass es nun in einer neuen Bewegung alles neu, alles biblisch und alles frei ist von den zerstörerischen weltlichen Einflüssen.

Die moderne Predigt erleidet bei FV dasselbe Schicksal. Die Argumentation geht hier folgendermaßen: Rhetorik kommt von gr. Philosophen, sie haben es dann (in Form einiger gebildeter Apostolischer Väter) der Kirche beigebracht, wie man predigt, daher ist die Kanzel und die Predigt „im Schoß des Heidentums“ gezeugt worden… Fazit: weg damit! Die zwei Sätze zum Schuss des Kapitels, dass die Autoren grundsätzlich nichts gegen eine Predigt hätten, klingt dann nur noch wie ein „schnell noch den Kopf aus der Schlinge ziehen“. Ausserdem ist auch das Kapitel in der Gesamtargumentation des Buches inkonsistent. Im vorhergehenden Kapitel lamentiert der Autor über die schier unerträgliche „Passivität und Langeweile“ in einem „normalen Gottesdienst“ und hier werden die „vitalisierenden Elemente der Rhetorik“ verpönt. OK, was will er uns sagen? Ich weiß es nicht …

Ich vermute mal, die Autoren haben sich bei ihrem Buch nicht gescheut, sich aller Regeln und Kniffe moderner Schreibkunst und Semantik zu bedienen, auch die Vermarktung ist sehr professionell… Soll man nun argumentieren: Weil diese Regel und Strategien in normalen weltlichen Universitäten entwickelt wurden und davon nichts in der Bibel steht, muss diese „Kuh“ nicht nur vom Eis und „geschlachtet“ werden? Ich hoffe doch nicht! Aber genau das ist die Grundlage jeglicher Argumentation von FV.

Wir nehmen ein anderen Beispiel – diesmal aus der Antike! Wir nehmen „Das Rasieren der contemporary Männer“. (Paulus würde einleitend für solche Passagen sagen: ich rede nach Menschenweise…, oder, ertragt von mir etwas Dummheit (obwohl, das was er anschließend zu sagen hat, Wahrheit und keine Dummheit ist!)) Das Rasieren der Männer kommt aus der Antike, dem Hellenismus. Mit dem moralischen Verfall, der im Römischen Reich seinen Höhepunkt nahm, kam es in der männlichen Oberschicht zunehmend sowohl zu Homosexualität, als auch zu Pädophilie. Die Männer wollten daher nicht nur jünger (knabenhafter) aussehen, sondern auch „wie Frauen“ mit einem glatten Gesicht. Die Bibel kennt keine Rasur, und wenn, dann nur als Fluch und Bestrafung. Mein Fazit: alle „contemporary Men“, die rasiert sind, sind tief im demoralisierten Heidentum verwurzelt und daher weder schriftgemäß, noch in einer echten, bibelgemäßen Kirche tragbar.

Lächerlich, oder? Dasselbe gilt dann wohl auch für die gesamte Argumentations-Logik des Buches…

Ausserdem liegen die Wurzeln der christlichen Predigt nicht im Hellenismus oder der klassischen Philosophie, sondern im Prophetischen Wirken des AT und im Rabbinertum. Viele prophetische Schriften sind in Poesie-Form verfasst (und wir können davon ausgehen, auch so als Reden gehalten worden). Jesus, Paulus und die anderen Apostel sind exzellente Redner, ja auch Rhetoriker! Wenn Paulus die „Weisheit dieser Welt“ seiner Botschaft entgegenstellt, dann bestimmt nicht, weil seiner Botschaft das notwendige Konzept, der Rote Faden oder die Rhetorik fehlten. Ich bitte doch! Das Kreuz und die Kraft des Geistes sind das, womit der Apostel der „Weisheit dieser Welt“ die Stirn bietet 1Kor 1-2.

Auch die Schriften des NT (viele davon entstanden aus einer sog. oralen Tradition, od. mündlichen Überlieferung) folgen strikt einem rhetorisch-pädagogischen und stark strukturiert-argumetativen Konzept. Aber all das ist für die beiden Autoren nicht zugänglich. Sie wollen Folgendes historisch und biblisch „nachweisen“: „the contemporary pulpit sermon is not of the preaching and teaching that is found in the Scriptures. It can not be found in the Judaism of the Old Testament, the Ministry of Jesus, or the life of the primitive church.“  „The primitive church“ muss also herhalten? „The primitive church“ – das ist für FV die Urkirche in der Apostelgeschichte und Paulusbriefen. Aber schaut man sich z. B. alle Predigten in der APG an, so muss man feststellen, dass sie alle nach einem bestimmten „rhetorischen Muster“ aufgebaut sind – je nach Redner und Publikum. Dass diese Art der Lehre nicht die einzige und exklusive Form war, steht ausser Frage. Dass aber sowohl Jesus, als auch Paulus, als auch Petrus, als auch Jakobus, als auch Johannes, als auch Philippus, als auch Stephanus in dieser Weise gepredigt haben, steht in Anbetracht des biblischen Materials ausser Frage.

FV ist hier einem fatalen ekklesiogenen Dualismus verfallen. Jedes mal, wenn er (am Ende des Kapitels) Fragen beantworten will, zieht er sich in sein dualistisches Konstrukt zurück. So gibt es für ihn eine sog. „normative Gemeindeversammlung“, wo jeder, zu jederzeit, alles sagen und lehren darf (für ihn fest verankert in 1Kor 14) – aber auf KEINEN FALL sollte hier (frontal) gepredigt werden! Und dann gibt es „Versammlungen zu missionarischen Zwecken“, wo Sünder zur Buße gerufen werden sollten – hier wäre auch „die heidnische Form der Predigt“ angemessen und erlaubt. OK, das lässt zwar etwas ist die Ekklesiologie von FV blicken, aber er sollte das uns bitte nicht als allgemeingültig „schriftgemäß“ verkaufen.

Hey, Leute, ich brauche echt eure Ermutigung, um dieses Buch weiter zu lesen!

PS: Falls jemand wirklich an Kirchengeschichte interessiert ist…, hier meine Empfehlung!

Eine Antwort zu “HEIDNISCHES CHRISTENTUM VON FRANK VIOLA 03

  1. Ich versteh gar nicht, wieso du das Buch überhaupt liest 😉 Ich lese zur Zeit selber auch eines von Viola (Rethinking the Wineskin) und bin schwer begeistert! Allerdings lese ich auch mit dem Motiv, dass ich mich nach Veränderung der Kirche sehne… Veränderung hatte die Kirche immer nötig. Oft ging es in der Vergangenheit hauptsächlich um inhaltliche Punkte. Leute wie Viola trauen sich, auch angeblich gesetzte Formen und Strukturen der Kirche in Frage zu stellen. Ich empfinde, dass eine Kurskorrektur und ein Umdenken eine gewaltige Belebung des Leibes Christi bewirken könnten… Aber wenn dich diese Vision, die Viola aufzeichnet (zumindest in meinem Buch…), nicht packt, sollte es ja kein Grund sein, ihn so zu zerreißen. Er trägt seinen Teil zum Reich Gottes bei. Auf seine Art… 😉

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