40 TAGE REFLEKTIONEN & INSPIRATIONEN ZUM THEMA LEITERSCHAFT / TAG 8

Inspiriert durch viele Bücher, Vorträge und Kongresse zum Thema Leiterschaft, die ich in den letzten Jahren gelesen, gehalten und besucht habe, will ich hier 40 Tage lang (aber wahrscheinlich nicht sequentiell jeden Tag) einige Gedanken und Anregungen weitergeben, die, ich hoffe, Dich inspirieren werden.

Tag 8: Kritik

Der Tag wird kommen (wenn er nicht schon gekommen ist), an dem du heftiger Kritik ausgesetzt sein wirst. Sobald du dich aus der Deckung der Masse heraus begibst, sobald du einen Standpunkt einnimmst, sobald du aufstehst, um etwas zu tun oder zu sagen, sobald du Entscheidungen triffst, sobald du anfängst jemand zu sein anstatt jedermann zu gefallen… – sobald werden auch Stimmen um dich laut und lauter, die alles besser wissen, alles besser beurteilen können, alles besser machen können. Das ist wie bei der bevorstehenden WM in Brasilien. In diesem Augenblick werden in Deutschland Millionen Bundestrainer und Schiedsrichter geboren. Die meisten von ihnen haben nie als Trainer gearbeitet, geschweige denn in der Profiliga gespielt, wohl kaum jemand hat eine Schiedsrichterlizenz, aber jeder weiß, wie es richtig gemacht werden sollte, welche Aufstellung die Beste ist, welcher Spieler was taugt und welche Entscheidungen sch… sind. Und das alles von einem wohl temperierten Wohnzimmer aus, vor einem 54´´ Fernseher, mit frisch-gekühltem Bier in der einen und einer Chipstüte in der anderen Hand. Wenn du Verantwortung übernimmst und leitest, egal was: eine Firma, eine Abteilung, ein Team, eine Kampagne, ein Land, eine Kirche und manchmal auch nur dich selbst – dann wirst du immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt sein.

Jeder Leiter muss durch die Schule der Kritik. Wie reagieren wir auf Kritik? Was nehmen wir an? Wann sollten wir Dinge klarstellen und wann einfach ignorieren? Wann sollten wir aufhören auf Kritiker zu hören und wann sollten wir es tun? Wie selbstkritisch können wir sein? Wann müssen wir vielleicht sogar vor Gericht und wann sollten wir einfach nachgeben? Auf all diese Fragen gibt es keine einfachen Antworten und wenn jemand welche hat, ist er/sie meistens noch nie in der besagten Position/Situation gewesen.

Jesus und der Apostel Paulus sind für mich, neben vielen anderen noch Lebenden Personen, große Vorbilder im Umgang mit Kritik. Genauso unterschiedlich wie das Setting, der Kontext und der Inhalt der Kritik ist, so unterschiedlich kann auch die jeweilige Erwiderung sein. Bei diesen beiden biblischen Autoritäten sehe ich, wie sie

  • ihre Kritiker mal provozieren und mal konsultieren
  • ihre Kritiker mal konfrontieren und mal ignorieren
  • von ihren Kritikern mal davonlaufen, mal sich ihnen stellen
  • sich vor ihnen mal verteidigen und mal einfach nur links liegen lassen
  • mal sehr ironisch und polemisch werden können und
  • mal still und leise wie ein Lamm werden können, das zur Schlachtung geführt wird
  • mal die „rechte Wange“ hinhalten, mal mit der „Peitsche“ dazwischen gehen

Ich sehe in der Bibel kein Ideal eines gleichmütigen, stoischen Feedbacks gegenüber Kritikern. Paulus äußert in 1 Kor 4, wie er mit Kritik umgeht. Hier einige Gedanken dazu.

1 Dafür halte man uns: für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes. 2 Übrigens sucht man hier an den Verwaltern, dass einer treu befunden werde. 3 Mir aber ist es das Geringste, dass ich von euch oder von einem menschlichen Gerichtstag beurteilt werde; ich beurteile mich aber auch selbst nicht. 4 Denn ich bin mir keiner Schuld bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt, ist der Herr. 5 So verurteilt nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Absichten der Herzen offenbaren wird! Und dann wird jedem sein Lob werden von Gott.

Der Kontext

Paulus ist der Gründer und „geistliche Vater“ der korinthischen Kirche. Diese Kirche ist uns als die „charismatischste“ von allen Urkirchen bekannt, aber auch die Kirche, mit den meisten Konflikten, Sünden und Problemen. Das größte Problem für Paulus hier ist, dass viele Korinther weder ihn, noch seine Lehre, noch seine Autorität als Gründer und Apostel respektieren. Trotz seiner vielen Besuche, seiner 4 Briefe an die Gemeinde (uns sind nur 2 geblieben), bleibt der Apostel eine beliebte Zielscheibe für heftige Kritik, meistens in seiner Abwesenheit, hinter seinem Rücken, wie im echten Leben eines Leiters halt.

Paulus´ Einstellung zu Kritikern und Kritik

Ich will das hier nur kurz skizzieren, aber das, was Paulus hier äußert ist sehr essenziell im Umgang sowohl mit Kritikern als auch mit Kritik an sich.

  1. Ich weiß, wer ich bin! „Dafür halte man uns: für Diener Christi„. Wörtlich heißt es hier: Ich bin ein Ruderer Christi. Hier ist das Bild einer Galeere und den Ruderern unter Deck, die eine wichtige Aufgabe haben, an der sie gemessen werden – ob und wie schnell sie ein Schiff vorwärtsbringen. Wenn du nicht weißt, wer du bist, wird Kritik dich vernichten – und das gilt für beides: deine Selbstunterschätzung und Selbstüberschätzung. Rudern war im römischen Reich (und auch später) Sklavenarbeit. Hier war nur eines wichtig: Gehorsam! Paulus weiß, wer er ist, wer sein Herr ist und wie seine Loyalität zu ihm auszusehen hat.
  2. Ich weiß, wozu ich berufen bin! „Dafür halte man uns: für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ Von dem gr. Wort, das hier für Verwalter steht, stammt unser dt. Wort Ökonom. Der Oikonomos was der oberste Sklave im Haushalt der Herrschaften. Er trug die gesamte Verantwortung für Personal (Sklaven), Ländereien, Gewinn/Verlust und das Budget. Es war meistens ein sehr gebildeter Sklave von vornehmer Herkunft. So sieht sich Paulus und dafür hält er sich. In dieser Selbsteinschätzung liegt keine  Anmaßung, keine falsche Demut, keine Überheblichkeit, keine Überschätzung und keine Unterschätzung – so ist und lebt er mit und vor Gott, der ihn dort hingestellt hat, wo er jetzt steht. Paulus weiß genau, was er tun soll.
  3. Ich weiß, wie ich Dinge tun soll! „Übrigens sucht man hier an den Verwaltern, dass einer treu befunden werde.“ Paulus will hier sagen: „Meine ungeteilte Loyalität und Treue gehört meinem Boss, darauf könnt ihr euch immer verlassen. Und egal, was ihr über mich denkt und redet – ich führe meine Bücher treu vor Gott, ich führe meine Mitarbeiter treu vor Gott und ich haushalte mit meinem Auftrag, meinen Ressourcen, meiner Zeit… treu vor Gott.“
  4. Ich weiß, wer mein wichtigster Kritiker (Richter) ist! „Der mich aber beurteilt, ist der Herr!“ Warum kritisieren Menschen einander? Weil sie fürchten, ein anderer handelt verantwortungslos. Accountability ist ein großes Wort im modernen Management und noch ein größeres in biblischer Literatur. Paulus weiß, wem gegenüber er sich täglich und in der Ewigkeit zu verantworten hat. Er unterwirft sich freiwillig diesem Gericht, mehr als jeder seiner Kritiker es tut oder ahnt. Er kennt seinen wichtigsten Kritiker und auch wie er richtet: „… der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Absichten der Herzen offenbaren wird! Und dann wird jedem sein Lob werden von Gott.“ 
  5. Ich weiß, welche Kritik ich für mich relativieren, ablehnen und auch ganz verstummen lassen kann! Weil Paulus sowohl auf seinen wichtigsten Richter hört und weil er weiß, nach welchen Kriterien er richtet und dass es vor Ihm kein Ansehen der Person und kein Entkommen gibt, deshalb hat er seinen menschlichen Kritiker etwas entgegenzusetzen: a) Mir ist es so ziemlich Schnuppe, was ihr über mich denkt = „Mir aber ist es das Geringste, dass ich von euch oder von einem menschlichen Gerichtstag beurteilt werde.“ b) Sogar mit meiner eigenen Selbsteinschätzung (sei es Lob oder Kritik) kann ich mal voll in´s Schwarze treffen oder voll daneben liegen = „… ich beurteile mich aber auch selbst nicht. Denn ich bin mir keiner Schuld bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt.“  Paulus will sagen: „Und weil das so ist, tut es mir noch nicht ein mal leid euch das zu sagen, kann ich weder euch noch mich selbst beim Thema Kritik zu ernst nehmen. Ich habe einen Auftrag zu erledigen und der ist nicht, auf meine Kritiker zu hören. Ich werde einmal (übrigens genauso wie jeder von euch, meine Lieben), vor den obersten Richter gestellt und … das und nur das wird am Ende zählen! Und so lange es noch nicht so weit ist, ist das mein bester Rat bez. eurer Kritik: Maul halten, treu seine eigene Arbeit tun und abwarten: (Paulus drückt das dann in der dt. Übersetzung so aus) „So verurteilt nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Absichten der Herzen offenbaren wird! Und dann wird jedem sein Lob werden von Gott.“

Ich halte das für eine großartige Strategie für jeden Leiter, der lernen will adäquat mit Kritik umzugehen. Was denkst du darüber?

 

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